Das neue Bundesteilhabegesetz: Abkehr vom Fürsorgeprinzip

Am 1.12.2016 hat der Bundestag das Bundesteilhabegesetz verabschiedet, mit dem die UN-Behindertenrechtskonvention in deutsches Recht umgesetzt wird. Mit dem Gesetz wird die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen aus der Sozialhilfe und damit aus dem Fürsorgesystem herausgenommen. Erklärtes Ziel der neuen Regelungen ist es, in wichtigen Lebensbereichen wie Wohnen, Arbeit, Bildung und Freizeit die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen zu fördern und ihnen zu mehr sozialer Teilhabe zu verhelfen.

Leistungen „wie aus einer Hand“

Vereinfachungen sieht das Gesetz in bürokratischer Hinsicht vor. Künftig soll zum Erhalt benötigter Leistungen ein einziger Antrag ausreichen, auch wenn verschiedene Leistungsträger beteiligt sind. Bisher waren dazu mehrere Anträge bei verschiedenen Stellen erforderlich.

Selbstbestimmung mit Einschränkungen

Ein im Vorfeld sehr kontrovers diskutierter Punkt war zuletzt noch entschärft worden. Das sog. Pooling, bei dem sich mehrere Personen mit Behinderungen Assistenzleistungen teilen und diese gemeinsam nutzen sollen, ist zwar nicht aufgegeben, aber zumindest eingeschränkt worden.

Beim Thema Wohnen hatten Kritiker des Entwurfes befürchtet, durch eine Deckelung der Kosten für selbständige Wohnformen könnten behinderte Menschen gezwungen werden, die eigene Wohnung aufzugeben und in ein Heim zu ziehen. Nach dem neuen Gesetz sollen Betroffene jedenfalls „im Rahmen der Angemessenheit und Zumutbarkeit“ selbst darüber entscheiden können, wo und wie sie wohnen möchten. Übersteigen die Pflegekosten diesen Rahmen, kann dies allerdings die Aufgabe selbständigen Wohnens bedeuten.

Vermögensbildung und Arbeitsmarkt

Durch eine Erhöhung der Freigrenzen für Vermögen und Einkommen sollen Menschen mit Behinderungen, die Eingliederungshilfe beziehen, künftig über mehr Geld verfügen und eigenes Vermögen bilden können. Der anrechnungsfreie Betrag von aktuell € 2.600 soll 2017 auf € 27.600 und bis 2020 auf € 50.000 steigen. Einkommen und Vermögen von Ehegatten oder Lebenspartnern werden gar nicht mehr berücksichtigt, wodurch ein faktisches „Heiratshindernis“ beseitigt werden soll.

Behinderten Menschen soll der Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt und ein Wechsel von einer Behindertenwerkstätte in eine „normale“ Beschäftigung erleichtert werden. Die Möglichkeit der Rückkehr in eine Werkstätte soll erhalten bleiben. Als Anreiz auf Arbeitgeberseite kann jeder, der einen Arbeitnehmer mit Behinderung einstellt, Lohnkostenzuschüsse von bis zu 75 % erhalten. Außerdem wird das Arbeitsförderungsentgelt, das behinderte Beschäftigte in anerkannten Werkstätten zusätzlich zum Arbeitsentgelt erhalten, auf € 52 monatlich verdoppelt.

Neu ist, dass es in Zukunft in Werkstätten, in denen behinderte Menschen arbeiten, gewählte Frauenbeauftragte geben soll. Sie sollen geschlechtsspezifischen Diskriminierungen, Übergriffen gegenüber Frauen und Gewalt begünstigenden Strukturen entgegenwirken und die Interessen der Frauen gegenüber der Werkstattleitung vertreten.

Vorbehaltlich der Zustimmung des Bundesrates wird das Gesetz teilweise am 01.01.2017 in Kraft treten.

Bildquelle: Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

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